Das Sorgerecht: Wie entsteht es und was bedeutet es für Eltern, die in Trennung leben?

Menschen gehen auseinander, Eltern trennen sich. Dieser Text wird nicht witzig, hier geht es auch nicht ums Geld. Hier geht es um unsere Kinder und unsere Rechte und Pflichten als Eltern.

 

Es gibt sie. Die Eltern, die auch nach einer Trennung oder trotz nie vorhandener Paarbeziehung die gemeinsame Sorge für ihre Kinder wunderbar hinbekommen. Es gibt unglaublich viele Konstellationen, in denen Kinder groß werden können und darüber hinaus auch glücklich sind. Getrennte Familien leben im Wechselmodell, sie leben mit neuen Partner*innen und geschenkten Geschwistern, die Kinder haben zwei Zuhause oder leben dauerhaft in einer Wohnung die die Eltern dann abwechselnd bewohnen. Die Möglichkeiten scheinen unendlich. Entscheidend dafür ist aber, dass die Eltern es geschafft haben sich zu verständigen. Nicht nur auf die im Alltag erforderlichen organisatorischen Dinge, sondern darauf dem Kind gemeinsam eine Familie zu sein. Trotz Trennung. Das erfordert viel Kraft und eine Menge emotionale Bereitschaft auch ein Stück weit loszulassen. Es gibt aber auch Eltern, die sich um das Sorgerecht streiten. Manchmal aus Angst das Kind zu verlieren, manchmal aus der konfliktgeladenen Trennungssituation heraus und manchmal um das Kind vor psychischer oder körperlicher Gewalt zu schützen. Dieser Streit ist anstrengend, vor allem für die Kinder. In besonderen Fällen ist er zum Schutz des Kindes nötig. In vielen Fällen gründet er jedoch auf einer fehlenden Kommunikationsfähigkeit der Eltern.

 

Aber nun ganz zum Anfang. Was bedeutet der Begriff Sorgerecht überhaupt? Was ist davon umfasst, wie entsteht die elterliche Sorge und welche Rechte und Pflichten ergeben sich daraus für die Eltern?

 

 

Was bedeutet der Begriff Sorgerecht?

Eltern haben nach § 1626 BGB die Pflicht und das Recht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Unterteilt wird das Sorgerecht vom Gesetzgeber in zwei Bereiche. Zum einen in die Sorge für die Person des Kindes und zum anderen in die Sorge für sein Vermögen. Von der Personensorge sind viele kleinere und größere Bereiche des Lebens betroffen. Hier geht es z.B. um die Pflege, Erziehung und die Beaufsichtigung des Kindes. Auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht spielt hier eine große Rolle.  Weitere wichtige Punkte sind die Gesundheitsfürsorge, Entscheidungen über die schulischen Angelegenheiten sowie Fragen der Ausbildungs- und Berufswahl. Weg von diesen abstrakten Begriffen betrifft die Personensorge also in der Realität Bereiche, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Welchen Namen soll das Kind tragen? Wo hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt? Welchen Kindergarten oder welche Schule soll es besuchen? Soll die von den Ärzt*innen vorgeschlagene Operation wirklich durchgeführt werden? Auf der anderen Seite steht dann die Vermögenssorge. Hier geht es z.B. um die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber Dritten, Kontoeröffnungen oder die Annahme von Erbschaften. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge müssen Entscheidungen, die diese beiden Bereiche betreffen und von hoher Relevanz sind, von den Eltern zusammen und einvernehmlich getroffen werden.

 

Wie entsteht das Sorgerecht?

 Das Sorgerecht entsteht mit der Geburt des Kindes. Klingt ganz einfach. Kompliziert wird es aber bei der Frage: Wer sind denn die dazugehörigen Eltern im Sinne des Gesetzgebers? Im Abstammungsrecht wird festgelegt, dass Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft vom Familiengericht festgestellt wurde.

 

Sind die Eltern des Kindes bereits bei seiner Geburt verheiratet, erhalten damit beide sofort das gemeinsame Sorgerecht. Unerheblich ist dabei, ob der Mann tatsächlich der biologische Vater des Kindes ist. Sind die Eltern des Kindes bei seiner Geburt nicht verheiratet, hat die Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht für das Kind. Wenn dies gewünscht ist, können die Eltern jedoch schon vor der Geburt des Kindes beim Jugendamt, nach Anerkennung der Vaterschaft, eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben. Das gemeinsame Sorgerecht entsteht außerdem, wenn die Eltern nach der Geburt des Kindes zu einem späteren Zeitpunkt heiraten. Der Vater hat, im Streitfall, außerdem die Möglichkeit das gemeinsame Sorgerecht beim Familiengericht einzuklagen.

 

Soweit so gut. Bis jetzt spielen wir nur Mutter-Vater-Kind. Aber was ist denn, wenn das Kind in eine gleichgeschlechtliche Ehe geboren wird? Wenn ein Kind in eine lesbische Ehe hineingeboren wird, gilt nur die biologische Mutter als Mutter, ihre Partnerin muss das Kind erst noch aufwendig adoptieren. Dieses Vorgehen ist zurzeit noch so, weil in diesen Familienkonstellationen an der Zeugung des Kindes immer zwingend noch eine dritte Person, oder zumindest das Erbgut, beteiligt ist. Die Rechte und Pflichten dieser Person gegenüber dem Kind müssen geklärt werden. Für eine Gleichbehandlung von lesbischen und heterosexuellen Ehepaaren in diesem Bereich, müsste zunächst eine Reform des Abstammungsrechts erfolgen.

Was passiert mit dem Sorgerecht nach einer Trennung?

Das gemeinsame Sorgerecht der Eltern bleibt auch trotz einer Trennung oder Scheidung weiterhin bestehen. Die Entscheidungen in erheblichen Angelegenheiten des Kindes sind damit von beiden Eltern immer noch zusammen zu treffen. Für einen Umzug des Kindes, im Rahmen der Trennung, muss jeder Elternteil sein Einverständnis erteilen. Auch die Entscheidung zu einem Schulwechsel oder einem  längeren Auslandsaufenthalt kann nicht alleine getroffen werden. Angelegenheiten des täglichen Lebens dagegen kann der betreuende Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, alleine entscheiden. Während des Umgangs hat der eigentlich nicht betreuende Elternteil dann das alleinige Entscheidungsrecht über alltäglich Angelegenheiten. So bleibt eine Aufrechterhaltung der täglichen Abläufe für das Kind gewährleistet.   

 

Was ist der Unterschied zwischen Sorge- und Umgangsrecht?

Das Umgangsrecht ist zunächst, im Gegensatz zum Sorgerecht, nicht auf die Pflege und Versorgung des Kindes bedacht. Es beschreibt vielmehr das Recht des Kindes Kontakt zu dem jeweils anderen Elternteil und weiteren Familienmitgliedern zu haben. Außerdem umfasst es andersherum das Recht der Eltern regelmäßig Umgang mit dem Kind zu haben. Wie das Umgangsrecht auszuüben ist, wird gesetzlich nicht geregelt. Dies muss im Einzelfall und für jede Familie individuell entschieden werden. Im Streitfall übernimmt das Familiengericht den Entwurf einer Umgangsregelung. Wenn ein Elternteil sein Kind öfter sehen möchte, geht es somit um das Umgangsrecht und nicht wie oft fälschlicherweise angenommen um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und damit um einen Teilbereich des Sorgerechts. Sorge- und Umgangsrecht bestehen damit völlig unabhängig voneinander. Auch wenn ein Elternteil kein Sorgerecht hat, steht ihm/ihr trotzdem ein Recht auf Umgang mit dem Kind zu. Der Unterschied zwischen beiden Rechten ist entscheidend für die verfolgten Ziele und welches gerichtliche Verfahren für die Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Beide Rechte haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Das Wohl des Kindes. Dieses sollten auch die Eltern nie aus den Augen verlieren.

 

Welche Möglichkeiten gibt es für zerstrittene Eltern?

Stehen Eltern, nach der Trennung, vor unüberwindbaren Kommunikationsproblemen, sollten sie sich nicht scheuen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erster Ansprechpartner könnte hier das Jugendamt sein. Außerdem gibt es örtliche Erziehungs- und Familienberatungen, die durch gemeinsame Gespräche dabei helfen können Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten einverstanden sind. Einen weiteren Weg zur Einigung könnte außerdem eine Familienmediation darstellen. Kann keine Einigung zwischen den Eltern hergestellt werden, bleibt als letzte Instanz die Anrufung des örtlichen Familiengerichts. Hier kann ein Antrag auf Übertragung von Teilen oder des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil gestellt werden.

 

Ein Appell

Beenden möchte ich diesen Text mit folgenden Worten des § 1626 BGB: „Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. Zum Wohl des Kindes gehören in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen.“ In diesem Sinne liebe Eltern. Hört nicht auf miteinander zu sprechen, stellt eure Konflikte als Paar hintenan, reißt euch zusammen, findet Lösungen und seid euren Kindern eine Familie. Denn hier geht es um sie. Unsere Kinder. Und die haben es verdient, dass wir hierfür die erforderliche Kraft und Mühe aufbringen.